Interne Sprachregelung
23. Dezember 2015 um 17:29 Uhr
Schon vor Jahren – zum ersten Mal bewußt im Sommer 2008 – fiel mir auf, daß Bahn-Angestellte gegenüber Rollstuhlfahrern, eine, sagen wir, interessante Sprachregelung haben. Da steigen Rollstuhlfahrer nämlich nicht ein oder um, sondern sie werden ein- bzw. umgeladen, wie so ein Gepäckstück.
Das genügt aber offenbar noch nicht an angewandtem Ableismus, die Bahn treibt’s noch weiter:
Laura Gehlhaar @LauraGehlhaar
„Sehr geehrte Fahrgäste, der Zug fährt mit 11 Minuten Verspätung los. Wir mussten erst 2 Rollstuhlfahrer einladen.“
So ein Arsch! #fail
Also genügt es jetzt nicht mehr, Rollstuhlfahrer wie Gepäckstücke zu bezeichnen; sie sind dann auch noch an Verspätungen schuld. Und nein, sind sie natürlich nicht, denn die Rollstuhlfahrer können nichts dafür, daß man es bei der Bahn nicht nötig hat, die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) umzusetzen.
Die Bahn bzw. das Team am Twitter-Account dort reagierte mit völligem Unverständnis. Hier der ganze Thread und was da noch so mit dazukam:
Atari-Frosch @AtariFrosch
@LauraGehlhaar Und immer wieder dieses (nicht) entschuldigende „Naja, das ist bei uns halt interne Sprachregelung“. m(
DB Bahn @DB_Bahn
@Felicea es wurde doch nur der Grund für die Verzögerung genannt, wenn es keine gibt folgen auch wieder Beschwerden über fehlende Infos. /ni
Mela Eckenfels @Felicea
@DB_Bahn und ihr findet das ernsthaft okay, dann quasi die Wut der Mitfahrer auf die Leute im Rollstuhl zu lenken? Ernsthaft?
Atari-Frosch @AtariFrosch
@DB_Bahn Rollstuhlfahrer werden nicht „eingeladen“, das sind keine Gepäckstücke, Himmelarschundzwirn! 🙁
Mela Eckenfels @Felicea
@DB_Bahn die Formulierung war extrem daneben & herablassend und das euch das nicht mal auffällt, sagt sehr viel über den ganzen Betrieb.
DB Bahn @DB-Bahn
@Felicea warum soll sich die Wut auf die Rollstuhlfahrer richten? Sie wollen mitfahren & benötigen eben etwas mehr Zeit für den Einstieg /ni
Lionstone @stolenprivacy
@DB_Bahn Vielleicht merkt ihr mal was? Der Verzögerungsgrund ist doch eher, dass baulich der Einstieg nicht gut gelöst ist @Felicea
Mela Eckenfels @Felicea
@DB_Bahn weil ihr sie als Verspätungsgrund nennt? Hallo? Während der eigentliche Grund war ‚wir haben versagt‘.
Mela Eckenfels @Felicea
@DB_Bahn Das Problem liegt bei euch, nicht bei den Rollstuhlfahrern, aber ihr stellt es dar, als wäre es andersherum & dann noch ‚einladen‘.
DB Bahn @DB-Bahn
@Felicea das haben Sie aber schön von @AtariFrosch gelernt. Da hat sich der Kollege leider etwas unglücklich ausgedrückt. /ni
Atari-Frosch @AtariFrosch
@DB_Bahn @Felicea Das muß man nicht von mir lernen, das erlebt man regelmäßig an Bahnhöfen, eben weil es „interne Sprachregelung“ ist.
Atari-Frosch @AtariFrosch
@DB_Bahn @Felicea Und so nebenbei setzten Sie der unverschämten Ausdrucksweise gerade noch einen obendrauf.
DB Bahn @DB-Bahn
@AtariFrosch ich will nicht unverschämt rüber kommen, aber ich verstehe ehrlich die Aufregung nicht. /ni
Dominik George @Natureshadow
@DB_Bahn Erst Rollstuhlfahrer, dann @AtariFrosch beschuldigen. Super, ihr Hohlköpfe! @Felicea
Atari-Frosch @AtariFrosch
@DB_Bahn Ja, das ist Euer Problem dabei. Daß Ihr Euren eigenen Ableismus nicht mal begreift. m(
Atari-Frosch @AtariFrosch
Shitstorm’s coming, @DB_Bahn. Höchst verdient. #ableismus
die hausmaus @die_hausmaus
@DB_Bahn Schade, dass Sie anscheinend bisher nicht gelernt haben, im Kundensupport keine herablassenden Antworten zu geben.
Lars Marowsky-Brée @larsmb
@DB_Bahn @Felicea „Leider sind unsere Züge im Jahr 2015 immer noch nicht barrierefrei. Wir bitten um Verzeihung.“ There, I fixed it for you.
Lars Marowsky-Brée @larsmb
@larsmb @DB_Bahn @Felicea Noch besser wäre natürlich, die Züge würden gefixed.
Dominik George @Natureshadow
@AtariFrosch Achtung Spoiler: Gleich wirf @DB_Bahn dich blocken, weil sie deiner Kritik nichts mehr entgegenzusetzen haben.
ellebil @ellebil
@DB_Bahn wie herablassend war denn bitte der Tweet? Calm down, it’s Christmas. @Felicea @AtariFrosch
Atari-Frosch @AtariFrosch
@Natureshadow @DB_Bahn Ich blogge schon im Bahnblog. Dauert nur etwas, weil das Übertragen von Tweets ein wenig umständlich ist.
DB Bahn @DB-Bahn
@Natureshadow wir blocken keinen, Kritik nehmen wir gerne auf. /cc @AtariFrosch /ni
Ja, das hab ich gemerkt, wie diese Kritik aufgenommen wird. Seit 2008. Und viele Rollstuhlfahrer (ich bin ja selbst keiner) kennen das mit Sicherheit schon viel länger. Die Lernkurve muß ja extrem flach sein. Oder: Ja, wir nehmen die Kritik auf, heften sie ab und vergessen sie dann wieder.
[Update 2015-12-23 19:20 Uhr] Laura Gehlhaar stellte da mal noch was klar:
Laura Gehlhaar @LauraGehlhaar
@DB_Bahn @AtariFrosch Ich wurde durch die Ansage diskriminiert. Es lag nicht an „den Rollstuhlfahrern“, sondern an dem überfüllten Zug!
Laura Gehlhaar @LauraGehlhaar
@AtariFrosch @DB_Bahn Der Zug wäre wegen Überfüllung so oder so zu spät losgefahren. Mich dann als Grund anzuprangern, ist ekelhaft.
[/Update]
’nuff said.
[Update 2015-12-29 14:00] Christiane Link verbloggte das auch auf dem Stufenlos-Blog von Zeit Online: Sündenbock behinderte Kunden (via @Felicea). [/Update]
23. Dezember 2015 at 18:34
Klar wird die Bahn nicht aus der Kritik lernen. Es ist ziemlich das Gleiche, wie die Problematik mit dem Reisen per Rad. Unternehmen wie der Metronom machen es vor. Sie haben sehr gute Radabteile, die problemfrei selbst von großen Reisegruppen benutzt werden können. Die ICs hingegen sind eine Katastrophe – und beim ICE kann man ein Rad gar nicht erst mitnehmen.
Wenn also die Bahn es nicht einmal schafft, eine halbwegs barrierefreie Möglichkeit für Radfahrer zu schaffen (von denen es doch einige in ICs gibt), dann ist es erst recht nicht zu erwarten, dass sie eine Lösung schaffen, die für Rolli-Fahrer geeignet ist.
24. Dezember 2015 at 05:36
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12. Januar 2016 at 14:40
Ich erlebe genau das sehr häufig selbst (bin Berufspendler). Eigentlich verteidige ich die Bahn, so weit mir das möglich ist. Aber was Barrierefreien zutritt zu (vielen) Zügen angeht, ist das wirklich eine Katastrophe. Und wie der Social Media Manager hier regaiert hat, ist katastrophal. Da wünscht man sich doch die Bahn als reinen Staatsbetrieb zurück. Der Druck, annähernd schwarze Zahlen schreiben zu müssen, tut dem Service und dem öffentlichen Erscheinungsbild der Deutschen Bahn nicht gut.
17. Juni 2016 at 10:34
Unglaublich wie gefühlslos doch manche Bahnmitarbeiter sind. Aber leider ist das ja kein Einzelfall.
Hier wäre für alle entsprechenden Bahnmitarbeiter (Zugpersonal & Social-Media-Manager) sicher mal ein Kommunikationstraining angedacht.